(Bonn, 28. April 2016) Es sind gerade ein paar Tage, dass in New York 175 Regierungsvertreter das Klimaabkommen von Paris unterschrieben haben – und dass Millionen Menschen den Tag der Erde, den Earth Day, gefeiert haben.
Anspruch des Earth Day (22. April) war es in diesem Jahr, einen ersten Impuls zu setzen, damit für jeden bis 2020 geborenen Menschen auch ein Baum gepflanzt wird.
"Zur Unterstützung des Earth Day — International Mother Earth Day für viele — und der Unterschriftenzeremonie des Abkommens von Paris haben Regierungen, Städte, Unternehmen und Bürger Bäume gepflanzt, ihre Lieblingsbäume fotografiert oder einfach Bilder von Bäumen gepostet oder geteilt", erklärt UNFCCC-Pressesprecher Nick Nuttall.
Symbolisch für diese Bäume wird bald eine Winterlinde vor dem UN-Klimasekretariat in Bonn stehen. Doch noch hat sie einen weiten Weg vor sich.
Im Frühjahr überziehen Blütenblätter von Kirschbäumen Straßen und Feldwege von Oberpleis, einem kleinen Dorf südlich der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn, mit einem rosaweißen Teppich.
Verglichen mit der Opulenz der Obstbaumkronen sehen die ordentlich in dürre Zweierreihen gepflanzten Winterlinden in der Baumschule Hausmann besonders zurückhaltend aus: Sehnsüchtig strecken sie ihre kahlen Äste nach dem Sommer.
Die Baumschule liegt zwischen Pferdekoppeln. Müde blinzeln die Rösser Besuchern entgegen. Der pastellfarbene Straßenbelag hat den Winter in Oberpleis ein wenig überzuckert, aber noch nicht ganz weggewischt, die Luft ist noch kalt, der Boden hart. Ein alter Hund döst auf dem Hof. "Rosen-, Koniferen- und Ziergehölze" gibt es hier, steht auf dem altmodischen Schild über der Pforte.
Welcher Großstädter könnte nur eines davon noch auf Anhieb zeichnen? Ein Blick aufs Handy: Konifere, also Nadelholz, Kiefernartige, die "größte noch lebende Gruppe der nacktsamigen Pflanzen"— hilft Wikipedia aus. Vorbei an wintergrünen Tannen. Vorbei an kugelrundem Buchs. Vorbei an noch mehr pinkgetupften Kirschen.
Es ist eine der unaufdringlichen Linden — im Pflanzenlexikon unter dem Namen "Tilia cordata" zu finden — die bald eine Hauptrolle in der Geschichte der UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) spielen soll. Die Winterlinde ist der Baum des Jahres 2016. Und das Jahr 2016 markiert, so die Hoffnung, einen Wendepunkt.
Als Teil einer weltweiten Kampagne wird deshalb eine Winterlinde auf dem Gelände des "Langen Eugen" gepflanzt werden. Mit Blick auf den Rhein, gleich neben dem ehemaligen Deutschen Bundestag.
Der Baum soll symbolisch für die Notwendigkeit stehen, dass Menschen Wälder aufforsten, Abholzungen und Brandrodungen verhindern. Bäume filtern Treibhausgase aus der Atmosphäre. Bäume filtern Schadstoff aus der Atemluft.
Momentan sieht die Tilia cordata der Rahmenkonvention noch aus, als wäre es ihr in der bleichen Frühlingssonne zu kalt. 3000 bis 5000 Bäume umringen die Winterlinde. Ihr momentanes Zuhause, die Baumschule, hat schon 1968 eröffnet. Zu ihrer besten Zeit standen hier bis zu 15.000 Bäume.
Jetzt werden die Gärten in Europa immer seltener, immer kleiner. Die letzte große Lieferung der Baumschule, aus der auch die Winterlinde der Klimarahmenkonvention kommt, ging an einen Friedhof. Weltweit werden jährlich nach neusten Studien rund 15 Milliarden Bäume zerstört.
"UNFCCC will die zentrale Rolle, die Wälder in unser aller Leben spielen, dadurch betonen, dass wir unseren Baum Mitte Mai pflanzen. Dann werden die Regierungen zu Klimaverhandlungen nach Bonn kommen, um ihr Ziel, das Klimaabkommen umzusetzen, weiter zu verfolgen", so Nick Nuttall.
Ab Mitte Mai wird die symbolträchtige Tilia in Bonn Spaziergänger daran erinnern, dass Bäume die wichtigsten Verbündeten der Menschheit im Kampf gegen den Klimawandel sind. Wälder reinigen die Luft, filtern Kohlenstoff, verhindern als natürliche Uferschutzmauern Überflutungen und Bodenerosion und bieten Wildtieren Schutz.
Die anderen, jedenfalls. Die kleine Tilia des Klimasekretariats wird in zehn Jahren ein "ausgewachsener" Baum sein, "je nach Bodenbeschaffenheit und Pflege", sagt der Gärtner und grinst.
2050 aber, wenn das Klimaabkommen von Paris mit vereinten Anstrengungen umgesetzt sein soll, wird die Winterlinde fest auf starken Wurzeln stehen — und mit jedem Atemzug für künftige Generationen die Luft filtern.